HANNELORE WEITBRECHT   -  Texte zu den Arbeiten


   

Werner Meyer, 2004

Irene Ferchl, 2002

Prof. Hans Gercke, 2001

 

Prof. Hans Gercke, Heidelberger Kunstverein


Übergänge

    Geräte



Blüten

Keime





Rhythmus
   

[...] Schalen- und löffelartige Formen, Schaufeln, Spaten, Eimer, Körbe, Schöpfgefäße machen das Repertoir der Künstlerin aus, Gerätschaften, die Handlungen assoziieren lassen, jedoch nichts davon im Sinne gegenständlicher Nachbildung, sondern als assoziativer Hintergrund für das Entstehen von Gebilden, die vertraut anmuten und an Bekanntes erinnern ohne mit solchem identisch zu sein.

So haftet denn diesen Arbeiten etwas Geheimnisvolles an, ähnlich wie wir es empfinden, wenn wir in naturkundlichen Sammlungen mit der verwirrenden Vielfalt in Jahrmillionen gewordener und bewährter Erscheinungsformen des Lebendigen konfrontiert werden oder in Völkerkundemuseen die archaischen und prähistorischen Geräte bestaunen, die wir auf eine unmittelbare Weise „verstehen", weil sie uns auf elementare Weise verwandt sind: Nicht nur geläufigen Werkzeugen ähnlich, sondern uns selbst, zumindest partiell anthropomorph wie alles, was sich der Mensch zur Unterstützung seiner naturgegebenen Fähigkeiten und Funktionen erfunden hat. Und die doch rätselhaft bleiben, da wir nichts Genaues wissen über ihren Gebrauch und ihre - womöglich magische, kultische - Funktion und Bedeutung.

Hannelore Weitbrechts Arbeiten sind naturhaft im angedeuteten Sinne. Nicht von ungefähr erinnern sie an Pflanzliches, Organisches, konkret an Früchte, Keime und Samenkapseln, an Knospen und Blüten, und damit auch an Vorgänge der Berührung, Begegnung und Befruchtung, an im weitesten Sinne Erotisches. Polare Spannungen kommen in diesen Arbeiten nicht allein durch die Verbindung körperhafter Elemente zum Tragen, sondern auch durch die naturhafte Balance von Fragilität und Vitalität. Alles erscheint transitorisch, prozeßhaft, erfaßt in jenem Übergang zwischen Werden und Vergehen, der charakteristisch ist für alles Lebendige. Daß bei alledem Natur nicht nur anklingt, sondern konkret präsent wird, kann kaum verwundern: Eine ganze Reihe dieser Objekte besteht aus Naturmaterialien, aus Samen, Körnern, Kapseln und Schoten. Anderes ist aus Papier gefertigt, aus Leim, Farbe und Draht, aus künstlichen, aber naturanalogen Materialien. Daß zwischen beiden kein prinzipieller Unterschied zu bestehen scheint, verweist auf eine Sicht, die nicht den Konflikt, nicht das Trennende in den Mittelpunkt der Betrachtung stellt, sondern das Verbindende: Hannelore Weitbrecht erzählt von einer Harmonie, die, wenngleich immer wieder gefährdet, dennoch für möglich gehalten wird. [...] Aus der Folie geschnitten entstanden u.a. kaulquappenartige, an Schriftzeichen erinnernde, in ihrer Ansammlung einen „Text" ergebende Formelemente, und dieses Prinzip der Bilderzeugung durch Addition vieler kleinerer, zueinander geordneter Einzelobjekte hat die Künstlerin auch bei anderen Arbeiten immer wieder angewandt: Im Formalen spricht sich damit zugleich eine inhaltliche Dimension aus. Thema ist, durchaus auch in einem metaphorischen Sinn, das Verhältnis des Ganzen zu seinen Teilen. Die so entstehende spannungsreiche Balance verweist den Betrachter auf existentielle Perspektiven, die nicht allein im biologischen Bereich von Bedeutung sind.
Hans Gercke

Heidelberg, im Juli 2001
Katalogtext

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